Auf Grund der hohen Investitionen in die LNG-Infrastruktur werden zuerst langfristige Lieferverträge abgeschlossen, bevor diese gebaut wird. LNG-Projekte brauchen Vorlaufzeiten von ca. 4 Jahren und erfordern Betriebszeiten von mind. 20 Jahren. Damit muß ein Investor heute bis 2046 vorplanen. 70 % aller LNG-Lieferverträge werden daher langfristig abgeschlossen. 30 % sind theoretisch am Spotmarkt erhältlich. Die Menge könnte den russischen Gasimport ausgleichen; die EU muß dafür aber die Importkapazitäten erhöhen und den Markt leer kaufen.

Auf dem Papier hat Europa zwar noch freie Kapazitäten vorwiegend in Spanien und Großbritannien. Deren Pipelines in andere europäische Länder sind aber voll ausgelastet. So sind in Europa bereits mehr als 20 LNG-Projekte angekündigt oder beschleunigt worden, Deutschland hat vier schwimmende LNG-Terminals (FSRU) gechartert. Ende 2022/Anfang 2023 sollen zwei davon (Wilhelmshaven und Brunsbüttel) in Betrieb gehen.

Einschätzung Elbe Energie:

Der deutsche Zeitplan ist unrealistisch ist. Das erste LNG aus deutschen Terminals wird erst ab Q2/Q3-2023 fließen. Das LNG-Schiff für Eemshaven (Niederlande) wird allerdings 2022 in Betrieb gehen.

Zum Kapazitätsproblem kommt noch ein Preisproblem: Früher wurde LNG nach Europa verkauft, wenn Nachfrage und Preise in Asien niedrig waren. Dies hat sich umgedreht, da Europa jetzt höhere Preise zahlt. Für einige asiatische Länder hat dies bereits desaströse Folgen. In Pakistan kam es zu großflächigen Stromabschaltungen, die Kohle- und Ölverstromung wurde wie in Indien und Bangladesh hochgefahren. In China war die LNG-Nachfrage wegen des Wirtschaftseinbruchs auf Grund der Corona-Maßnahmen gering. Wenn sich dies ändert, steigt der Druck auf die Preise weiter.

Auch der Markt für schwimmenden LNG-Terminalschiffe (40 Stück weltweit) ist ausverkauft. Die Tagesmiete lag bisher bei 40-75 T€ und beträgt aktuell 270-300 T€.

Die hohen Preise werden daher noch zwei bis drei Jahre anhalten – wenn es keine Rezession gibt. Erst ab 2025 werden die weltweiten Kapazitäten deutlich steigen. Vor allem in den USA, die 2022 zum weltgrößten LNG-Exporteur geworden sind, vor Australien und Katar.

Selbst wenn bis 30.10. die Gasspeicher zu 95 % gefüllt sind, ist Europa weiter auf Importe angewiesen. Die Kapazität der deutschen Speicher reicht in einem mittleren Winter ca. 2,5 Monate. Die Möglichkeiten mit Erdgas mit LNG zu kompensieren, sind erschöpft. Selbst wenn der derzeitige Gasimport anhält und der Winter mild ausfällt, wird es zum Abschalten von Produktionsbetrieben kommen.