Newsletter Energiemarkt 04/2024 | 16.4.2024 | Stromnetz

Deutschland sollte sich bis 2030 mit mindestens 15 Mio. vollelektrischen PKW zum „Leitmarkt für Elektromobilität und zum Innovationsstandort für autonomes Fahren“ entwickeln (Ampel-Koalitionsvertrag, Seite 27).

Eine Bestandsaufnahme:

  • Marktanteil und Neuzulassungen
    Aktuell sind 1,4 Mio. E-Autos zugelassen (2,9 % aller PKW). Um das Ziel von 15 Mio. E-Autos bis 2030 zu erreichen, müßten ca. 2,3 Mio. E-Autos pro Jahr zugelassen werden (2023: 524.219).

Der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen lag von Januar bis März 2024 bei ca. 12 % (2023: 18 %).https://www.elbe-energie.de/strommarkt-elektromobilitaetsziele-unrealistisch/?preview=true

  • Ladeinfrastruktur
    Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist weit hinter dem Plan. Zum Beispiel Aral kommt mit dem Ausbau von ultraschnellen Ladesäulen nicht voran, da die Netzbetreiber Probleme mit der Stromversorgung haben.
  • Sicherheit
    Die aktuelle Löschtechnik, Feuer durch CO2-Gas zu ersticken, funktioniert bei Lithium-Ionen-Akkus nicht. Denn neben giftigen Gasen setzt das Feuer Sauerstoff frei, der den Brand noch beschleunigt, so der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Geeignet seien nur Systeme mit Hochdruck-Wassernebel. Hiermit müssen Containerschiffe und Fähren aber erst ausgerüstet werden. Daher verhängte die norwegische Reederei Havila Kystruten einen Beförderungsstopp für E-Autos.
  • Umweltnutzen
    Studien renommierter Institute kamen 2019 zu unterschiedlichen Ergebnissen:
    Fraunhofer ermittelte CO2-Einsparungen von E-Autos von 28 % gegenüber einem Diesel-Oberklassewagen bis zu 42 % gegenüber einem Benzin-Kleinwagen.
    Das Ifo-Institut sieht die CO2-Bilanz von E-Autos im günstigsten Fall nur knapp über der eines Diesel-PKW, ansonsten 25 % darüber.Die Europäische Kommission möchte daher nun die CO2-Emissionen „einheitlich“ erfassen und bei der CO2-Bilanz von E-Autos auch die CO2-Emissionen des Strom, der zur Herstellung benötigt wird, berücksichtigen.
  • Kosten und Strompreise
    Der Preisabstand zum Verbrenner ist weiter hoch. So kostet z.B. ein Opel E-Corsa 14.000 € mehr als das gleiche Verbrennermodell (Listenpreis abzgl. Rabatt).  Auch bei anderen Marken betragen die Preisunterschiede zwischen Elektro- und Verbrennungsmodellen meist mehrere tausend Euro, nicht selten 10.000 €. Und weiter steigende Strompreise lassen auch die Betriebskosten steigen.
  • Mietwagenmarkt
    Hertz teilte mit, wegen Schäden und hoher Reparaturkosten rund 20.000 E-Autos in den USA durch Verbrenner zu ersetzen.
    SIXT kündigte an, wegen hoher Reparaturkosten und niedriger Wiederverkaufswerte keine Teslas mehr zu vermieten.
  • Hersteller
    Stellantis (Citroën, DS, Peugeot, Opel, Vauxhall, Abarth, Alfa Romeo, Fiat, Lancia, Maserati, Chrysler, Dodge und Jeep) hat angekündigt, in „absehbarer Zeit“ nicht auf Verbrenner zu verzichten und investiert 6 Mrd. US-Dollar in Entwicklung von Flex-Fuel-Motoren.
    Mercedes-Benz wollte 2030 „möglichst“ nur noch vollelektrische Fahrzeuge verkaufen und plant jetzt nur noch die Hälfte des Absatzes mit E-Autos und Plug-in-Hybriden.
    Ford und General Motors haben angekündigt, Investitionen in die Elektromobilität zu verschieben, teilweise auf unbestimmte Zeit.
    VW streicht immer wieder Schichten in den E-Auto-Werken Zwickau und Emden.
    Tesla hat angekündigt, weltweit mindestens 10 % der Mitarbeiter zu entlassen. Im deutschen Werk Grünheide sind 3.000 der 12.500 Mitarbeiter betroffen.
    Apple stellt nach 10 Jahren und zweistelligen Milliardeninvestitionen die Pläne für ein eigenes Elektroauto ein.
Einschätzung Elbe Energie:

Die Bundesregierung hält weiter am Ziel von 15 Mio. E-Autos bis 2030 fest. Das ist genauso realistisch wie der geplante Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr.

Haupttreiber sind Unternehmen, die ihre Fahrzeugflotten umstellen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Ob und wie lange dieser Trend anhält, bleibt abzuwarten.

Seit kurzem kommen auch völlig neue Töne aus Brüssel: Kommissionspräsidentin von der Leyen, die das Verbrennerverbot ab 2035 vorangetrieben hatte, betonte, dies bereits 2026 früher überprüfen lassen als geplant, um „Technologieoffenheit und Wahlmöglichkeiten für Konsumenten“ sicherzustellen. Auch die „Industrie solle wählen, wo sie investiere und worin sie die Mobilität der Zukunft sehe.“

Dadurch wird der deutsche Stromverbrauch weniger stark wachsen als geplant, wodurch die Strompreise für Endkunden weiter steigen. Denn: „Der Hinweis des BMWK, dass die Verteilung der Systemkosten auf einen größeren Stromverbrauch kostendämpfend wirken kann, ist zwar grundsätzlich richtig. Dafür müsste der Stromverbrauch aber schneller und stärker steigen als die Systemkosten.“ (Zitat Bundesrechnungshof)

 

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